Bildungsrepublik Deutschland

Tja, Einbildung ist auch eine Bildung. Und wenn es nur ist, dass sich die Wähler einbilden können, die Politik würde etwas wirklich Zielführendes in die Wege leiten, wenn es um das Kapital unserer Zukunft geht. 

 

Um dien Charakter der Bildungsrepublik zu verstehen, ist es nötig, sich dem Begriff Bildung zu nähern. 

 

Wie definieren wir also Bildung? Ist das das Ergebnis der in den letzten Jahren modern gewordenen Bildungsanstalten namens G8-Gymnasium mit anschließender Sicherungsverwahrung in Bachelor-Studiengängen? 

 

Oder ist Bildung der Reifungsprozess eines Menschen innerhalb eines Werte-, Wirtschafts- und Sozialsystems? 

 

Wollen wir Fachkräfte für die Industrie "produzieren" oder junge Menschen bilden? 

 

Immer schneller, immer höher, immer weiter, immer mehr und besser muss alles werden. Und das in einem Wissenschaftssystem, das auf dem bereits bekannten Wissen aufbaut. In jedem Studium beginnt man erst mit der Einarbeitung und dem Nachvollziehen von Erkenntnissen, die bereits vorher existent waren. Man baut einen Grundstock auf, um anschließend selber die hoffentlich richtigen Schlüsse aus der Zusammenführung der einzelnen erlernten Erkenntnisse zu ziehen. 

 

Das ist auch der einzig richtige Weg. Man kann Newton als Physiker genauswenig ignorieren, wie ein Musiker Fingerübungen machen muss. 

 

Das Blöde ist aber, dass unsere Wissenschaften einen thesaurierenden Charakter haben: Neues Wissen und neue Erkenntnisse werden nicht ausgeklammert in vielen Fällen, sondern werden im Laufe der Zeit zunehmend wieder als Grundwissen erachtet. Was vor 10 Jahren noch in den Kinderschuhen steckte, ist jetzt banales Grundwissen, ein Paradebeispiel dafür ist die parabelförmig verlaufende Entwicklung der Informatik und des Computerwesens. 

 

Somit kommt immer mehr zu lernender Stoff im gleichen Zeitfenster, das zum Aneignen zur Verfügung steht, zu liegen. Das heißt, eigentlich bräuchten wir eine Schulverlängerung. 13 Jahre Stoff im Gymnasium und immer noch nicht dicht? 

 

Und was macht unsere Politik? Sie schafft sogar ein Jahr noch ab. Jetzt soll man in 12 Jahren das lernen, wofür man früher 13 Jahre hatte. Wohlgemerkt, ohne die praktische Spezialisierung in den Leistungskursen der Kollegstufe. Wenn man sich die Stoffmengenunterschieden zwischen Leistungs- und Grundkursen ansieht, wird einem klar, dass man schon damit durchaus noch ein weiteres Schuljahr füllen könnte. 

 

Aber, die Kinder müssen ja von der Straße. Und zwar in doppelter Hinsicht: Einmal weniger Spielzeit, denn irgendwie muss der in den Pressack des G8 gestopfte Lernhaufen ja aufgenommen werden, also knappst man an der Freizeit rum. Es ist eigentlich erschütternd, dass da die Eltern nicht auf die Barrikaden gehen. Aber einige machen fleißig mit beim Leistungswahn und schleppen ihre Kinder auch noch am knappen Wochenende von Fortbildung zu Fortbildung ohne mal nachzuhaken, ob der Sprössling das möchte. 

 

Das gipfelt dann in pränatalen Universitäten in den Staaten, ja, richtig verstanden, da werden Ungeborene bereits traktiert. Oder man nimmt halt Medikamente, um den Druck auszugleichen. Sind ja nur Psychopharmaka, was solls. 

 

Das Problem ist ein flächendeckendes und die treibenden Kräfte sind vielfältig. 

 

Wir sollten uns wirklich fragen, ob es das ist, was für die Zukunft wollen: Immer mehr Leistung, immer mehr Geschwindigkeit. 

 

Es kommt mir vor, als wäre unsere Gesellschaft auf Speed und das lässt sich am Bildungssystem am besten ablesen. 

 

Da hilft es auch nicht, wenn die Kanzlerin mitteilt, dass es kein Speed, sondern nur Ecstasy war...

Unverantwortliches Bildungswesen

Eine beliebte Begründung, um hohe Gehälter, Lähne und BOni zu rechtfertigen ist der Verweis auf die hohe Verantwortung, die der Nutznießer der pekuniären Zuwendung doch trägt in seinem Berufsalltag. 

Was ist denn Verantwortung und was hat sie mit Bildung zu tun? 

 

Dieser Gedanke fußt auf einer Erkenntnis, die ich unlängst selbst hatte: In Deutschland kriegt jeder Bäckerlehrling einen monatlichen Obulus im Rahmen seiner Ausbildungsvergütung für die von ihm hergestellten Backwaren. 

Aus einer Ausbildung entstehen ihm diverse Pflichten, so die Sorgfaltspflicht in Ausübung der Arbeit, die Lernpflicht, Pflicht zum Besuch der Berufsschule und ein paar mehr. Für die Erfüllung dieser Auflagen wird er entlohnt. 

Ebenso gibt es eine Ausbildung zum Rettungsassistenten in Deutschland. Eine, nein, die einzig anerkannte Berufsausbildung im Rettungsdienst in unserem Land dauert zwei Jahre. Auch dem angehenden Retter enstehen Pflichten und das nicht zu knapp: Es gibt jede Mege Lernstoff zu bewältigen und die Aussichten gestalten sich wie folgt: Schichtdienst, der so manche Beziehung und Ehe auf eine harte Probe stellen kann, Bereitschaftsdienst, lange Arbeitszeiten, Nachtdienste und Überstunden ohne Ende. 

Das wird natürlich entlohnt - im berufsverhältnis nicht gerade üppig. 

 

Und in der Ausbildung...? 

 

Jetzt kommt der Witz des Tages: Während der Bäckerlehrling Geld für seine Ausbildung bekommt, muss der Rettungsassistent sogar selbst Geld zahlen, um ausgebildet zu werden. Eine Förderung von seiten der Agenturen für Arbeit scheint es nicht zu geben. Es wird wohl davon ausgegangen, dass die angehenden Lebensretter soviel Idealismus mitbringen, dass sie sich von Luft und Liebe ernähren können. Luft, naja, Suaerstoffeinheiten gibts in jedem Rettungsfahrzeug und Liebe schlägt den Rettern auch entgegen - im wahrsten Sinne des Wortes: In letzter Zeit gibt es zunehmend Übergriffe von Patienten auf Rettungskräfte. Warum man auf den losgeht, der einem helfen will..? Vermutlich Wut auf das Establishment, weiß der Teufel. 

 

Fassen wir zusammen: Im Gegensatz zu den meisten anderen Berufsausbildungen in Deutschland ist die Ausbildung zum Rettungassistenten unentgeltlich - für den Azubi, der Ausbilder bekommt sogar Geld, ca 3000 Teuronen muss man rechnen. 

Ist die Ausbildung beendet, geht der Berufsalltag los, unterbezahlt und oft verachtet als Uniformträger wie es scheint. 

 

Reden wir über Verantwortung: der "Worst case" im Falle eines hochbezahlten Bankmanagers ist es, dass Vater Staat die Bank rettet. Der Super-GAU im Falle des Bäckers sind verbrannte Brötchen. 

Unser Rettungsassistent...ihm geben wir unser aller Leben an die Hand. Er soll zur Stelle sein, wenns zwickt und zwackt, und sein Dienst wird als Selbstverständlichkeit angenommen. 

 

Wollten wir also gute Vorsätze für das neue Jahr fassen, so schlage ich vor, dass wir jeden Retter, ob Sanitäter oder Assistent, mit mehr Hochachtung begegnen dafür, dass er einen Großteil seines eigenen Lebens opfert, um uns in unserem beizustehen. 

 

Und wenn man dann das nächste Mal eine bankenpfeife schwadronieren hört, die 3 Millionen Boni stünden ihm zu, dann sucht man eigentlich nur noch den Kübel in diesem gerechten Sozialstaat. 

 

An dieser Stelle allen Dank, die im Verborgenen für uns bereitstehen und unserem Leben mehr Sicherheit geben, danke für den Idealismus und das Durchhaltevermögen!

 

Frohes neues Jahr 2012!